Was passiert im Gehirn, wenn wir unsicher werden?

Wir alle kennen es. Wir stehen als Erwachsene in unserem Leben, sind zufrieden mit dem, was ist, fühlen uns sicher und plötzlich geschieht eine unvorhergesehene Lebensveränderung, wie z. B. ein Arbeitsplatzverlust, Konflikte in unseren Beziehungen, gesundheitliche Probleme, finanzielle Unsicherheit, Verlust eines geliebten Menschen, Pandemien, wirtschaftliche Krisen etc.. 

Doch auch schon kleinere Situationen, die uns triggern, wie z.B. ein patziger Satz vom Partner, der Besuch bei der Schwiegermutter, ein rücksichtsloser Autofahrer etc. können verursachen, dass wir unser Sicherheitsgefühl kurzzeitig verlieren.  

Unser Gehirn reagiert in solchen Situationen mit einer Vielzahl an Prozessen. Unsicherheit aktiviert verschiedene Hirnregionen und neurobiologische Systeme, die miteinander interagieren, um emotionale und kognitive Reaktionen zu steuern.  

Haben wir als Kinder nicht gelernt, ausreichend konstruktive Bewältigungsstrategien in unsicheren oder stressigen Situationen zur Verfügung zu haben, können u.a. folgende Prozesse aktiviert werden: 

Erhöhte Amygdala-Aktivität: Wenn frühere Erfahrungen von Unsicherheit oder Angst geprägt waren und wir keine effektiven Strategien hatten, kann dies zu einer dauerhaft erhöhten Aktivität in der Amygdala führen. Diese erhöhte Aktivität macht uns anfälliger für Angst und Stress in späteren, ähnlichen Situationen. 

Gestörte Entwicklung des präfrontalen Kortex: Der präfrontale Kortex, der für rationale Entscheidungsfindung und Impulskontrolle verantwortlich ist, entwickelt sich erst vollständig im Erwachsenenalter. Negative Erfahrungen in der Kindheit können seine Entwicklung beeinträchtigen, was dazu führen kann, dass wir Schwierigkeiten haben, rationale Entscheidungen zu treffen und effektiv mit Unsicherheit umzugehen. 

Langfristiger Stress und HPA-Achse: Chronischer Stress in der Kindheit kann die Funktion der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) beeinflussen, was zu einer dauerhaften Überaktivität und erhöhten Cortisolspiegeln führen kann. Dies kann zu einer erhöhten Anfälligkeit für Stress und Angst im Erwachsenenalter führen. 

Negative Erinnerungsmuster im Hippocampus: Der Hippocampus speichert Erinnerungen an vergangene Erfahrungen. Wenn diese Erinnerungen überwiegend negativ sind und mit Unsicherheit und Stress verbunden, kann der Hippocampus in ähnlichen zukünftigen Situationen automatisch negative Reaktionen hervorrufen. 

Veränderungen im Belohnungssystem: Negative frühere Erfahrungen können das Belohnungssystem des Gehirns beeinflussen. Man könnte Schwierigkeiten haben, positive Ergebnisse vorherzusagen und daher in unsicheren Situationen eher pessimistisch sein oder risikoaverse Entscheidungen treffen. 

Nicht zu sprechen von den ganzen Auswirkungen auf das Nervensystem, das Hormonsystem und vielen anderen körperlichen Prozessen. 

Als Erwachsene reagieren wir dann oft unbewusst mit kränkend wirkenden Strategien, diese Unsicherheit meistern zu wollen, wie z.B. Vermeidung, Verleugnung, Selbstsabotage, Aggressivität aktiv oder passiv, Projektion, Rückzug, Perfektionismus, Rationalisierung, Kontrollzwang und vieles mehr. 

Doch jetzt als Erwachsene können wir lernen, diese unbewussten, kränkenden Verhaltensmuster zu durchbrechen. Verschiedene Ansätze können u.a. hier hilfreich sein: 

  • Selbstreflexion: Sich der eigenen Verhaltensmuster bewusst zu werden, ist der erste Schritt zur Veränderung. Tagebuchschreiben oder Gespräche mit vertrauenswürdigen Freunden können dabei helfen. 
  • Therapie: Ein Therapeut kann helfen, tief verwurzelte Ängste und Unsicherheiten zu identifizieren und konstruktive Bewältigungsstrategien zu entwickeln. 
  • Achtsamkeit und Meditation: Achtsamkeits- und Meditationstechniken können helfen, im Moment zu bleiben und emotionale Reaktionen zu regulieren. 
  • Kreativität: Dem Unbewussten in der Kreativität Raum zu geben, sich wahrhaft auszudrücken, verleiht uns ein gesundes Ventil, die Emotionen zu erleichtern und zu balancieren. 
  • Soziale Unterstützung: Der Aufbau eines starken sozialen Netzwerks kann als Puffer gegen Stress wirken und positive Erfahrungen fördern.  
  • Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge: Freundlichkeit und Verständnis für sich selbst zu entwickeln, kann helfen, die Scham und Schuldgefühle zu reduzieren, die oft mit unsicherem Verhalten verbunden sind. Selbstfürsorge, einschließlich ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung, kann die allgemeine Resilienz erhöhen. 
  • Kommunikation: Offene und ehrliche Kommunikation mit anderen kann Missverständnisse reduzieren und Beziehungen stärken. 

Finden wir uns oft in denselben kränkenden Mustern wieder können wir also lernen, gesündere und positivere Verhaltensweisen zu entwickeln, die uns helfen, besser mit Unsicherheit und Stress umzugehen und somit die biologisch getriggerten Reaktionen konstruktiver zu regulieren.

Rein schon das Erkennen und Bewusstwerden unserer Muster kann hierbei sehr hilfreich sein.  

Möchtest Du Unterstützung, mit deinen Reaktionsmustern konstruktiv umzugehen, melde dich gerne bei mir. Ich freu mich darauf. 

Text © Dana Gewinner 

Pic: Dev Asangbam at Unsplash

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